St. Andreasberger Wasserwirtschaft - Teil 1
St. Andreasberger Wasserwirtschaft - Teil 1
Der Sonnenberger und die Rehberger Gräben
Kein Bergbau ohne Wasser
Wasser – der Energieträger im Oberharzer Bergbau. Mit dem Bau von Wasserrädern wurde es möglich, das Erz sowohl aus größeren Tiefen als auch in höheren Mengen zu fördern. Doch Wasserräder dienten auch zum Antrieb der Pumpen im Schacht und Fahrkünste für den Personentransport. Allein diese unvollständige Aufzählung macht deutlich, dass es eines permanenten Wasserzuflusses bedarf. Also stellte sich die Frage: Woher das Wasser für die Wasserräder nehmen? Der nächste natürliche Fluss, die Oder, liegt unterhalb von Sankt Andreasberg und schied damit (zunächst) aus. Das Antriebswasser musste also höher gelegenen Gebieten herangeführt werden. So blickte man zum nächstgelegenen Berg mit Wasserzufuhr und wurde am Sonnenberg, nordwestlich der Bergstadt, fündig. Dort konnte man Wasser aus dem Wassereinzugsgebiet der Sieber nutzen; man musste es nur in Richtung Sankt Andreasberg „umleiten“. Und so baute man bereits vor 1550 (vermutlich) den Sonnenberger Graben, der eben diese Zuläufe der Sieber über 4,2 km Länge in die Bergstadt leitete.
Mehr Wasser wird benötigt
Doch schon nach ca. 50 Jahren reichte diese „Wasserleitung“ nicht mehr aus und so überlegte man, ob nicht doch das Wasser der Oder irgendwie nutzbar gemacht werden könnte. Man schaute also diesmal in nordöstliche Richtung zum Rehberg, wo kleine Bäche und Rinnsale hinab zur Oder fließen. Um deren Wasser nutzen zu können, bedurfte es des Baus eines weiteren „Sammelgrabens“.
Der schwierigste Grabenbau des Oberharzes
Der Vorteil war, dass dieser Rehberger Graben nicht bis Sankt Andreasberg geführt werden musste. Durch die Lage des Rehbergs direkt neben dem Sonnenberg konnte der neue Graben in den bereits bestehenden Sonnenberger Graben münden. Warum hatte man sich nicht schon eher für einen Graben am Rehberg entschieden? Das Gelände am Rehberg besteht zu einem großen Teil aus Granitfels. Was aus heutiger Sicht unerheblich erscheint, war zu damaliger Zeit angesichts fehlender Sprengtechnik eine große Herausforderung. Und so baute man den ersten (Alten) Rehberger Graben zum Großteil aus hölzernen Rinnen (Gefluder, wie der Bergmann sagt). Doch auch diese Gefluder konnte man nicht einfach auf den Fels setzen, sondern musste Auflagerbänke aus dem Stein schlagen, im wahrsten Sinne des Wortes, mit Schlägel und Eisen und Brechstange! Und all dieser Aufwand wurde zunächst für höchstens 10 bis 20 Jahre Nutzungszeit betrieben, denn bereits 1624 kam der Sankt Andreasberger Bergbau zum Erliegen.
Der Neue Rehberger Graben entsteht
Nach dem Dreißigjährigen Krieg dauerte es noch einmal fast zwanzig Jahre, bis der Bergbau vor Ort langsam wieder anlief und dann noch einmal knapp weitere zwei Jahrzehnte, bis man ab 1686 den alten Rehberger Graben wieder instand setzte. Doch schon bald geriet er an seine Grenzen, denn der wieder aus Holzgerinnen errichtete Graben erwies sich als sehr wartungsintensiv und Holz war aufgrund des hohen Bedarfs im Bergbau knapp. Mit der zunehmenden Erzförderung stieg zudem auch der Wasserbedarf der örtlichen Gruben. Und so schaute man einmal mehr nach Norden und entschied, direkt das Wasser der Oder umzuleiten. Um dies bewerkstelligen zu können, konnte man nicht einfach den bestehenden Graben verlängern, sondern musste einen neuen 30 m tiefer anlegen. Diese „Verlegung“ hatte einen weiteren, entscheidenden Vorteil: Im zukünftigen Grabengebiet stand genug Bauholz zur Verfügung.
Der Geseher Wasserlauf – die Verbindung unter dem Berg
Jetzt musste man „nur noch“ den Zufluss nach Sankt Andreasberg durch den Geseher Wasserlauf (einen Stollen durch den Geseherberg) herstellen, wozu man einen stillgelegten Untersuchungsstollen, den sogenannten „Tiefen Wasserlauf“, um 186 m verlängerte und so den Tiefen Geseher Wasserlauf schuf. 1699 konnte dann mit dem eigentlichen Bau des Neuen Rehberger Grabens begonnen werden und dieser wurde zunächst, wer hätte es gedacht, wieder zum Großteil aus Gefludern errichtet. Immerhin konnte man beim Anlegen der dafür notwendigen Auflagerbänke diesmal schon Sprengstoff einsetzen, was die Arbeit im Fels sicherlich erleichtert und beschleunigt hat.
Eine clevere Verwendung lokal verfügbarer Baustoffe
Und beim Bau dieses Grabens lässt sich ein Umgang der Bergleute mit Ressourcen feststellen, der uns heute verloren gegangen zu sein scheint: Das Weiternutzen von bereits gebrauchten Materialien. Denn alle noch verwendbaren Rinnen des alten Grabens wurden im neuen wieder verbaut. Trotz aller Sparsamkeit im Umgang mit dem Baustoff Holz, das Grundproblem blieb: Der umliegende Wald würde nicht genügend Holz liefern, um den Graben alle 10 bis 12 Jahre zu erneuern. Dass die Oberharzer Bergleute durchaus in der Lage waren, solche Herausforderungen zu meistern, haben wir schon gesehen und so überrascht es vielleicht weniger, dass man auch diese kreativ löste. Man bediente sich dem Naheliegenden: Statt den harten Granitfels wie bisher herauszulösen, nutzte man ihn einfach direkt als Baustoff und begann ab 1702 mit der „Ausmauerung“ des Grabens, als Dichtstoff diente der gestampfte und vor gefundene Granitsand.
Ein anderer Umgang mit Zeit?
Vielleicht relativiert es die Sicht auf die nicht enden wollende Fertigstellung des Berliner Flughafens BER, wenn man weiß, dass hier beschriebenes Bauprojekt 35 Jahre dauerte. Dagegen erscheint die relativ kurze Bauzeit des Oderteichs von gerade einmal sieben Jahren (1715 – 1722) wie ein Klacks. Vor allem, weil es sich beim Oderteich nicht um irgendeinen, sondern um den größten der Oberharzer Bergbauteiche mit einer noch dazu einzigartigen Dammbautechnik handelt.
Haltet die Wasser warm
Zurück zum Rehberger Graben: Das Holzproblem hatte man gelöst, jedoch bestand wie bei allen offenen Gräben die Schwierigkeit eines kontinuierlichen Winterbetriebs. Zu Zeiten von Wintern, die ihrem Namen auch gerecht werden, froren die Gräben nicht selten zu. Die Folge: Kein Antriebswasser für die Wasserräder und damit nicht nur keine Erzförderung, sondern auch kein Pumpenbetrieb. Die Gruben soffen also ab, weil das Wasser „von oben“ fehlte, um das von unten nachschießende Wasser aus den Schächten zu heben. Also wieder eine Frage für die Bergleute: Wie verhindert man das Zufrieren der Gräben?
Holz wird durch Stein ersetzt – nachhaltiger Umgang mit Ressourcen
Die erste Lösung war ein alter Bekannter, das Holz. Man bedeckte die Gräben mit Fichtenreisig, was auf die Dauer eine zu hohe Kosten- und Arbeitsbelastung darstellte. Und so besann man sich erneut auf die vor Ort zur Verfügung stehenden Ressourcen: große Granitfelsen. 1861 fing man mit der Abdeckung des Grabens an, stundete sie aber bereits sieben Jahre später erneut aus Kostengründen und aufgrund der abzusehenden Einstellung des Bergbaus. Innerhalb dieser Zeit hat man gerade einmal einen Bruchteil des insgesamt 6,4 km langen Grabens mit Granitplatten bedeckt, was man auch heute noch bei einem Spaziergang entlang des Grabens leicht erkennen kann.
Heute ein schöner Wanderweg
Überhaupt lohnt sich eine Wanderung auf dem breiten, ebenen Rehberger Grabenweg. Denn erst vor Ort kann man die hier beschriebenen Schwierigkeiten mit dem Gelände und die daraus resultierenden Anstrengungen der Bergleute beim Grabenbau nachvollziehen. Dazu muss man noch nicht einmal den kompletten Graben abgehen, was einer Wegstrecke von 7,3 km entspricht. Wenn man dies jedoch möchte, empfiehlt es sich, am Oderteich zu starten, denn dort beginnt der WasserWanderWeg 20, auf dem regelmäßige Infotafeln über die Anlage und heutige Nutzung des Rehberger Grabens Auskunft geben.
Mit der gegenwärtigen Funktion des Sankt Andreasberger Grabensystems und mit dem Rehberger Grabenhaus beschäftigen sich die folgenden Blogbeiträge. Starten werden wir jedoch mit dem Oderteich.
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